Wenn man in dieser Jahreszeit durch das Chianti fährt, scheint es, als würde meine eine andere Welt erleben. Einerseits fehlen die Blätter an den Rebstöcken und lassen die Weingärten karg, kahl und knorrig aussehen. Naturgemäß fehlen auch die Blätter an Bäumen und Sträuchern. Dieser Umstand eröffnet dem Betrachter ganz neue Perspektiven im Chianti. Man entdeckt Häuser und Lagen, die einem sonst durch dichte, grüne Laubwände verborgen bleiben.
Es ist Winter im Chianti
Ruhe und Stille ist das vorherrschende Gefühl. Das liegt nicht nur daran, dass kaum Touristen in dieser Jahreszeit in der Region zwischen Florenz und Siena zu finden sind. Viele Restaurants, Weinbars und Cafés sind „Chiuso per ferie“, also geschlossen. Auch das sonst so lebendige Treiben auf der Piazza sucht man meist vergebens. Es ist kalt, auch hier im im Herzen der Toskana.
Lebendiges Treiben und fröhliches Geschnatter der Arbeiter kann man allerdings zwischen den Rebzeilen entdecken. Es ist die Zeit des Rückschnitt. Ein wichtiger Arbeitsschritt am Anfang eines Vegetationsjahres. Die Rebstöcke, die nach der Ernte langsam ihr Laub verfärbt und schließlich abgeworfen haben befinden sich in einer längeren Vegetationspause.
Der Rebschnitt erfordert Wissen und Erfahrung
Mit der Art des Rebschnitts hat der Winzer die Möglichkeit, Einfluss auf den Ertrag, also die produzierte Menge, zu nehmen. Dabei wird das einjährige Holz während der Ruhephase zurückgeschnitten, um das physiologische Gleichgewicht zwischen Wachskraft und Ertragsleistung zu erzielen. Damit eng verbunden ist letztendlich auch die Traubenqualität, die am Ende der Vegetationsphase, bei der Ernte, erzielt werden kann.
Mit wenigen Schnitten, meist von Hand, werden die Rebstöcke in die gewünschte Erziehungsform gebracht. Im Chianti Classico kann man heute vorwiegend zwei Erziehungssysteme in den Rebanlagen entdecken: Guyot und Kordon.
Beim Guyot (Bogenschnitt) wird möglichst nahe am Stamm meist ein Fruchtbogen mit je einem Ersatzzapfen angeschnitten. Dieser Schnitt bringt eine gute Verteilung der Augen, also den Knospen, In einem weiteren Arbeitsschritt werden die Fruchtbögen nach unten gebunden.
Beim Kordonschnitt werden auf einer waagrechten Verlängerung des Stammes kurze Zapfen und Strecker geschnitten. Dieser Schnitt erfordert etwas mehr Erhaltungsaufwand (Stockaufbau und ständige Verjüngerung). Die Speicherung von Reservestoffen ist im Kordon größer als beim Bogenschnitt.