Auch, wenn draußen gerade der eiskalte Wind um die Ecken pfeift, die ersten Schneeflocken vom Himmel tanzen und langsam, aber sicher der Winter Einzug hält, so wird es mir doch drinnen gerade warm ums Herz: Denn das „Olio Nuovo“ – also das frische 2018er Olivenöl ist da! So grün, so frisch, so voller Sommer und Wärme! In meinem letzten Blogbeitrag habe ich ein wenig vom Olivenbaum selbst, von seiner Geschichte und seinen Vorlieben erzählt. Dieses Mal möchte ich euch näherbringen, wie aus der bitteren Olive das fruchtige Öl entsteht und welche Methode der Ölherstellung in Panzano in Chianti angewendet wird. Und dabei spreche ich aus eigener Erfahrung: Denn schließlich durfte ich ja schon bei der Olivenernte, bei der Herstellung und natürlich beim ersten Verkosten (Ich sage nur: Wow! Mjam! Herrlich!) dabei sein.
Von der zarten Blüte zur knackigen Olive
Schon gewusst? Weltweit größter Produzent von Olivenöl ist Spanien, dicht gefolgt von Griechenland. Aber auch zur Toskana und vor allem zum Chianti gehört das Olivenöl, wie das Amen zum Gebet. Kein Garten ohne Olivenbaum, kein Essen ohne Olivenöl. Man könnte fast sagen, dass dem Olio di Oliva im Chianti eine beinahe existentielle Bedeutung zukommt. Ohne geht einfach nicht! Aber welche Schritte sind nun eigentlich notwendig, um der steinigen Frucht das grüne Gold abzuringen? Zuerst einmal ist dafür gar nicht allzu viel notwendig: Viel Sonne, ein bisschen Regen, ein beherzter Rückschnitt im Frühling – und ab und zu ein kleines bisschen Auflockerung des Bodens rund um die Bäume, um die Erde luftdurchlässiger zu machen. Die Blüten der Olivenbäume brauchen zum Bestäuben nicht einmal die Hilfe von Bienen. Das erledigen sie mit ein wenig windiger Unterstützung selbst. Regen ist in dieser Phase der Bestäubung natürlich wenig hilfreich. Aber wenn alles glatt geht, lässt sich Ende Juni schon einschätzen, wie viele Oliven sich aus den zarten, weißen Blüten entwickeln werden. Den Sommer über haben dann die Früchte reichlich Zeit, in aller Ruhe zu wachsen und zu reifen.
Die Olivenernte: Ein Prozess mit viel Geduld, viel Liebe & noch mehr Handarbeit
In den letzten Oktobertagen ist es dann im Chianti so weit: Die Zeit der Olivenernte bricht an! Und diese zieht sich den gesamten November hindurch – manchmal bis hinein in den Dezember. Man sieht also: Im Gegensatz zur Weinernte, die oft in wenigen Tagen über die Bühne geht, ist die Ernte der Oliven ein eher ausgedehnter Prozess. Manchmal werden auch am Beginn der Ernte ganz bewusst einige weniger reife Oliven geerntet. Denn diese Früchte verleihen dem Öl die für das Chianti so typisch Schärfe. Nur ein paar Kilometer weiter, zum Beispiel in Luca oder in Ligurien, ist das Olivenöl schon wieder deutlich milder. Aber fangen wir wieder mal von vorne an: Die Oliven werden im Chianti händisch geerntet. Manchmal kommt eine sogenannte „elektrische Hand“ zum Einsatz, die die Oliven sanft von höher gelegenen Ästen rüttelt. Ab und zu wird auch mit Geräten wie Kämmen oder Rechen gearbeitet, mit deren Hilfe die Oliven vom Baum zu gestreift werden – aber grundsätzlich gilt: Olivenernte ist Handarbeit! Am Boden rund um die Bäume werden große Netze ausgebreitet, die die vom Baum purzelnden Oliven auffangen. Aus den Netzen kommen die Oliven – meistens vermischt mit ein bisschen Blattwerk – in Kisten. Manche Produzenten sind der Überzeugung, dass ein bisschen „Blatt im Öl“ dem Geschmack durchaus zuträglich ist. Heutzutage gibt es aber in den modernen Ölmühlen schon ganz oft Maschinen, die mit Luft und Gittern arbeiten, um die die Blätter von den Oliven zu trennen.
Andiamo! Auf zur Ölmühle!
Sorgfältig in Kisten verstaut werden die Oliven zu Ölmühlen transportiert. Und zwar idealerweise am Tag der Ernte! Denn durch das Ernten entstehen an den Früchten kleine Verletzungen, die zu oxidieren anfangen würden, würde man sie länger liegen lassen. Sprich: Sie würden schlecht werden. Deshalb wird mit den Oliven kurzer Prozess gemacht: Runter vom Baum, rein in die Mühle! Manche Produzenten verfügen über eigene Ölmühlen, wie zum Beispiel das Weingut Gagliole. Andere wiederum bringen ihre Oliven in eine sogenannte Frantoio, eine Gemeinschafts-Ölmühle, und lassen dort ihr Öl pressen. Zwischen der Verarbeitung von Oliven verschiedener Produzenten werden die Ölmühlen übrigens sorgfältigst gereinigt. Damit wird verhindert, dass es zu einer Vermischung von Bestandteilen verschiedener Produzenten kommt. Dieser Reinigungs-Prozess dauert immerhin fast eineinhalb Stunden. Also ganz schön lange. Die Folge: In der Zeit der Olivenernte – also in dem vier- bis sechswöchigen Zeitraum – laufen die Mühlen quasi Tag und Nacht.
Die Geburtsstunde des Olivenöls: Kalt pressen, bitte!
Und so funktioniert´s: Die Oliven werden zur Ölmühle gebracht, gewogen, von den Blättern befreit und gewaschen. Dann geht´s ab in die Mühle. Dort werden die Früchte mitsamt der Schale und den Steinen – so nennt man die Kerne der Oliven – zermahlen. Diese grobe, braungrüne Paste, die dabei entsteht, ist zwar optisch nicht besonders ansprechend – aber sie ist die Grundlage des grünen Goldes. Anschließend wird die Paste erwärmt. Ja, richtig gelesen: Erwärmt. Und das, obwohl es kalt gepresstes Olivenöl heißt? Ja, und zwar ganz einfach deshalb, weil selbst im sonst so sonnigen Chianti die Temperaturen zu dieser Jahreszeit so niedrig sind, dass man die Olivenpaste in einem Wasserbad ganz sanft und schonend auf eine Temperatur von 17 bis 20 Grad „erwärmt“. Im lauwarmen Zustand gibt die Paste das kostbare Öl leichter ab. Dieser ganze Prozess läuft übrigens ab, ohne dass Sauerstoff hinzukommt. Durch ein Sichtfenster kann der Ölmüller die Paste im Auge behalten. Ist er der Ansicht, dass die Olivenmasse die richtige Temperatur und Konsistenz hat, wird sie in die erste Zentrifuge weitergeleitet. Ja, Zentrifuge – nicht Presse.
Denn eigentlich wird das Olivenöl nicht gepresst, sondern zentrifugiert. Dabei werden die festen Bestandteile der Paste von den flüssigen getrennt. Die Flüssigkeit, die dabei aufgefangen wird, ist nichts anders als das heiß begehrte Olivenöl vermischt mit dem Wasser, das in und auf den Oliven war. Übrigens: Auch die zurückbleibende Olivenpaste ist nicht minder begehrt: Sie wird von der Kosmetikindustrie für zahlreiche Produkte verwendet. Das Öl-Wasser-Gemisch kommt dann in eine noch feinere, noch höher-frequente Zentrifuge, die das Wasser vom Öl trennt. Übrig bleibt das „reine“ Olio di Oliva. Danach bleibt das Öl noch zwei bis drei Tage stehen, damit sich die letzten Trubstoffe absenken können. Anschließend wird das Olio noch einmal durch überdimensionale Wattebäusche gefiltert. Auf diese Weise werden Enzyme und Hefen aus dem Öl gefiltert, die ansonsten zu biochemischen Reaktionen führen würden, die die Qualität des Öls beeinträchtigen würden. Danach ist es so weit: Das Öl wird in Flaschen abgefüllt und ist bereit für den Verkauf! Finalmente!
Ihr seht also: In so einer Flasche Olivenöl steckt ganz schön viel Arbeit, Geduld und vor allem Liebe zum Handwerk! Und das schmeckt man auch! In meinem nächsten Blogbeitrag werde ich verschiedene „meiner“ Olivenölproduzenten und natürlich deren neue Öle vorstellen. Denn das „Olio Nuovo 2018“ trifft gerade peu à peu bei mir ein…