Der November ist im Chianti – so wie auch in der gesamten Toskana – traditionell die Zeit der Olivenernte. Auch ich hatte schon des Öfteren das Vergnügen, bei der Ernte und beim Pressen der Früchte dabei zu sein und zu erleben, wie aus der bitteren Frucht eine grüne Köstlichkeit wird, die aus der italienischen Küche nicht wegzudenken ist. Aus diesem Grund widme ich mich in diesem und weiteren Blog-Beiträgen dem grünen Gold der Toskana – dem Weg vom Baum zum Olio di Oliva Extra Vergine. Heute, im ersten Teil, dreht sich alles um den Olivenbaum selbst – um diese ehrwürdigen Bäume mit der großen Geschichte. Denn aus seinen Zweigen ließen sich einst die römischen Imperatoren Siegeskränze flechten. Ganze Völker erlangten durch die Kultivierung des Ölbaumes Reichtum und Einfluss im Mittelmeerraum – nämlich die Philister (1000 v. Chr.) und die Kreter (bis 1500 v. Chr.). Also gehen wir zunächst einmal der Frage auf den Grund, was denn den Olivenbaum so besonders macht…
Zahlen, Daten & Fakten rund um den Olivenbaum
Je nach Sorte des Olivenbaums – und davon gibt allein im Mittelmeerraum mehr als 1.000 und in der Toskana selbst immerhin rund 80 Sorten – erreichen die knorrigen Bäume Wuchshöhen zwischen 10 bis 20 Metern. Dabei sind die wilden Olivenbäume kleiner als ihre gezüchteten Kollegen. Typische Merkmale aller Olivenbäume sind die grüngraue, glatte Rinde der jungen Zweige und Stämme und die intensiv silber-grauen Blätter, die das Landschaftsbild der Toskana beleben und prägen. Und zwar das ganze Jahr über: Denn der Olivenbaum ist eine immergrüne Pflanze. Sprich: Er verliert nie das ganze Laub auf einmal, sondern er wirft immer wieder einmal einzelne Blätter, die bereits mehrere Jahre alt sind, ab. Grundsätzlich brauchen Olivenbäume, die zur Gattung der Ölbäume gehören, viel Zeit zum Wachsen: Bis die heiß begehrten Früchte das erste Mal geerntet werden können, muss man sich immerhin sechs bis sieben Jahre gedulden. Allerdings relativiert sich dieser Zeitraum, wenn man bedenkt, dass ein Olivenbaum mehrere hundert Jahre, manchmal sogar mehr als tausend Jahre, alt werden kann. Pflanzt man also heute einen Olivenbaum werden ihn noch viele, viele nachfolgende Generationen wachsen sehen und Freude an seinen Früchten haben. By the way: Das älteste, bekannte Olivenbaum-Exemplar wächst auf der griechischen Insel Kreta und wird auf ein stolzes Alter von 4.000 Jahren geschätzt.
Alles (k)eine Frage des Alters…
Bäume mit einem derartig hohen Alter findet man im Chianti allerdings nicht bzw. kaum. Das hat einen tragischen, aber recht simplen Grund: Im Winter 1985 kam es in weiten Teilen der Toskana zu einem plötzlichen Kälteeinbruch mit Temperaturen von bis zu minus zwanzig Grad. Diese Kälte, gepaart mit der Nässe vorangegangener Niederschläge, vernichtete viele Bäume. Zunächst ging man davon aus, dass von den insgesamt zwanzig Millionen Olivenbäumen der Toskana achtzehn Millionen teilweise oder ganz erfroren waren. Aber man schnitt die kaputten Bäume ab und schon bald schossen aus dem totgeglaubten Holz wieder junge Triebe. Anpflanzungen, die man oft schon aufgegeben hatte, erwachten zu neuem Leben. Natürlich war die Ernte über Jahre hinweg nicht besonders glorreich, weil die geretteten oder neu gepflanzten Bäumchen längst nicht so viele Früchte trugen wie die alten Stämme. Erst sechs Jahre nach dem großen Frost gab es in der Toskana wieder eine Ernte, die über dem Durchschnitt lag. Seitdem haben sich auch die Olivenhaine des Chianti wieder prächtig erholt und fast jeder, der ein kleines Stückchen Land besitzt, hat dort seine Olivenbäume gepflanzt und macht sein eigenes Olio. Und wenn man keine eigenen Bäume hat, dann pachtet man einfach welche… Denn ohne Olivenöl geht´s einfach nicht.
Der Olivenbaum: Ein starker Baum, der es mediterran mag
Der Olivenbaum selbst braucht eigentlich nicht recht viel: Jedes Jahr im Frühling steht ein Rückschnitt auf dem Programm, der ca. alle fünf Jahre etwas kräftiger ausfällt. Das hat insofern seine Berechtigung, als der Olivenbaum an frischen und einjährigen Austrieben die meisten Früchte trägt. Typischerweise werden die Olivenbäume im Chianti eher in eine runde Form geschnitten. Das hat einen recht pragmatischen Grund: Ist der Baum niedriger, ist später die Ernte der Oliven einfacher. Was der Olivenbaum noch braucht, ist ein lockerer Boden und Temperaturen, die nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt sind. Außerdem mögen es Oliven nicht zu trocken, aber eben auch nicht zu nass. Ab und zu eine Portion Wasser gibt dem Baum Kraft und damit auch kräftige Früchte. Sprich: Um eine gute Olivenernte zu bekommen, ist ein typisch-toskanischer, mediterraner Sommer ideal!
Das Olivenjahr 2018 im Chianti
Auch im März 2018 gab es hier im Chianti wieder einen Frosteinbruch, der die Olivenbäume in Mitleidenschaft gezogen hat. Aber dazu sei noch gesagt: Frost ist nicht gleich Frost! Unter starkem Frost versteht man Temperaturen von ca. minus zehn Grad und darunter – und zwar über eine Dauer von mehreren Tagen hinweg. Minustemperaturen im gemäßigten Bereich dagegen schaden den Olivenbäumen überhaupt nicht – im Gegenteil: Leichter Frost macht bestimmten Schädlingen auf „natürliche Weise“ den Garaus. Entscheidend ist, dass es nicht zu lange friert – zwei bis drei frostige Tage steckt ein Olivenbaum locker weg. Heuer kam es Gott sei Dank zu keinem flächendeckenden Frost – wie damals Mitte der 80er-Jahre –, sondern nur an einzelnen Stellen. So beklagen einige Produzenten heuer Ernteausfälle von bis zu 40 Prozent, andere wiederum, nur einen Hügel weiter, sind mit minimalen Schäden davongekommen. Der Ernte stand also nichts im Weg!
Apropos: Wer von einem schattigen Olivenbaum im heimischen Garten träumt, der hat ganz gute Chancen, lange Freude an seinem Ölbaum zu haben. Und zwar, wenn Sie es schaffen, den Baum vor langanhaltendem Frost zu schützen oder ihn ganz einfach für den Winter in eine wärmere Umgebung zu bringen.