In diesen Tagen schleicht sich ein schwacher Hoffnungsschimmer in mein Herz: Gerade werden die Corona-Maßnahmen in Österreich, Deutschland und Italien Schritt für Schritt gelockert bzw. aufgehoben. Und nun scheint es sogar im Bereich des Möglichen zu liegen, dass die Grenze zwischen Österreich und Italien noch diesen Sommer geöffnet wird! Sprich: Selbst, wenn ich Emilia und Giovanni d’Orsi vom Weingut Casaloste dieses Mal noch nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen konnte, so hoffe ich doch inständig, dass ich in absehbarer Zeit mein geliebtes Panzano und alle meine Freunde wiedersehen werde. Bis es allerdings so weit ist, muss ich mit Telefonaten, Video-Calls & Co. meine Sehnsucht stillen und lasse euch so lange unter #SehnsuchtChiantiClassico an meinen Gesprächen teilhaben.
Fattoria Casaloste: Die Bio-Pioniere von Panzano in Chianti
Eigentlich beschreibt der Leitsatz von Casaloste „La piccola fattoria dei grandi vini“ – also das kleine Weingut mit den großen Weinen – das Anwesen perfekt: Emilia und Giovanni Battista d’Orsi sind die Besitzer der 19 Hektar Land in den Hügeln von Panzano in Chianti. Eigentlich stammen Emilia und Giovanni, der gelernter Agronom und Önologe ist, aus Neapel. Aber während eines Besuchs im Chianti Classico haben sie Casaloste entdeckt und sich in dieses Fleckchen Erde verliebt. Also haben sie das Weingut gekauft, sind nach Panzano übersiedelt und haben ab diesem Zeitpunkt all ihre Leidenschaft in die Herstellung von Weinen nach biologischen Gesichtspunkten und in den Aufbau ihres kleinen, aber feinen Agriturismo gesteckt. Das Ergebnis: Rund 60.000 Flaschen Wein allerhöchster Qualität werden hier jährlich produziert und man verbringt hier perfekte Urlaubstage in diesem typisch toskanischen Anwesen –Pool unter Olivenbäumen und Familienanschluss inklusive.
Casaloste: Positives in Corona-Zeiten
Da Emilia und Giovanni ja beide aus Neapel kommen, leben dort, über vier Stunden Autofahrt entfernt, auch ihre Familien. Selbst in „normalen Zeiten“ ist das eine stattliche Entfernung, aber in Zeiten von Corona eine schier unüberbrückbare Distanz. Also hat man zu anderen Mitteln gegriffen. Emilia erzählt: „Meine Mutter ist 86 Jahre alt und lebt in der Nähe von Neapel. Noch zu Weihnachten, als wir gemeinsam gefeiert haben, haben meine Geschwister und ich ihr ein Smartphone geschenkt. Das war übrigens das letzte Mal, dass ich sie ‚in echt‘ gesehen habe. Mama hat sich über unser Geschenk ein bisschen gewundert.“, schmunzelt Emilia, „Aber manchmal tut man, ohne es zu wissen, das Richtige.“ Denn dank des smarten Weihnachtsgeschenks konnte Emilia mit ihrer Mutter in den schwierigen Tagen des Corona-Lockdowns in Kontakt bleiben. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten lernte die rüstige 86-Jährige den Umgang mit Technologien wie Touchscreen oder Videotelefonie. „Oft haben wir gemeinsam Tränen gelacht, wenn wir versucht haben, mit meiner Mutter ein Videotelefonat zu führen, weil irgendetwas nicht geklappt hat. Aber: Schlussendlich hat es funktioniert und hat uns trotz der physischen Distanz ein Stück näher zueinander gebracht.“, blickt Emilia zurück.
Die Familie d’Orsi in Panzano in Chianti
Emilia und Giovanni haben drei Kinder: Vincenzo lebt in Florenz und genießt ab und zu die Vorzüge des „Hotel Mama“. Federico war zum Zeitpunkt des Lockdowns in Paris, wo er studiert. Er hat einen der allerletzten Flüge zurück nach Hause erwischt. Und die Tochter der beiden, Maria-Giovanna, die eigentlich in London lebt und arbeitet, hat sich ebenfalls ihren Computer geschnappt und ist mit einem der letzten Flüge nach Hause gekommen. Seitdem arbeitet sie von Casaloste aus. „Eine große Erleichterung, die Kinder in unserer Nähe und damit in Sicherheit zu wissen.“, freut Emilia. Gott sei Dank haben sich nun auch in der Region Toskana die Zahlen bei wenigen Corona-Neuinfektionen pro Tag eingependelt. Ähnlich wie in Österreich und Deutschland werden nun auch in der Toskana regional begrenzte Lockerungen erlaubt: So dürfen seit einigen Tagen wieder Restaurants öffnen und Gäste empfangen. Manche entscheiden sich aber auch gegen eine Öffnung, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Und im Unterschied zu Österreich gibt es in Italien keinerlei staatliche Unterstützung für Unternehmen. Welche Narben – oder auch Wunden – COVID-19 in der italienischen bzw. in der europäischen Wirtschaft hinterlassen wird, wird sich erst zeigen.
70 Tage Lockdown in Italien
Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich Emilia im Februar – noch bevor der ganze Corona-Wahnsinn begonnen hat – auf der Chianti Classico Collection getroffen habe: Gemeinsam haben wir den Chianti Classico 2017 verkostet – für mich zweifellos eines meiner Messe-Highlights. (Aber dazu später mehr. Achtung, Spoiler-Alarm: Die Casaloste-Weine sind schon auf dem Weg zu mir!) Ende Februar – als sich die Situation in der Lombardei bereits zuzuspitzen begann – ist Emilia zu ihren Importeuren in den USA gereist. Zu diesem Zeitpunkt war das Virus dort kein Thema – irgendetwas weit weg in China und ein kleines bisschen in Italien. Aber bereits am 11. März, nur fünf Tage nach Emilias Rückflug aus den USA, waren im Fernsehen hektisch-panische Szenen vom Flughafen Chicago zu sehen. Emilia erzählt: „Das war alles sehr surreal. Ich habe den Ort, an dem ich noch fünf Tage zuvor gestanden bin, wo alles noch völlig normal war, nicht mehr wiedererkannt.“ Und jetzt, nach 70 Tagen hartem Lockdown in Italien, berichten ihre Geschäftspartner in L.A., New York und Chicago von teilweise dramatischen Zuständen, von denen man in Europa nichts hört und die man sich eigentlich nicht vorstellen möchte, meint sie. „Klar: Diese 70 Tage in Italien ohne Familie, ohne Freunde, ohne richtig das Haus verlassen zu dürfen – das war eine Zeit, die Narben hinterlassen wird. Aber besser eine Narbe als die Wunden, die gerade in den USA entstehen. Und für ein Menschenleben betrachtet sind 70 Tage ein Klacks.“
Rückkehr ins Leben
Immerhin hat am Samstag in Panzano das erste Mal wieder der Markt stattgefunden und Mimmo hat wieder seine Tische auf dem Marktplatz aufgestellt und man konnte einen Aperitivo nehmen. Auch vor den Supermärkten muss man „nur“ mehr eine viertel statt einer vollen Stunde anstehen, um seine Einkäufe erledigen zu können. Und weil die Italiener nun endlich wieder ihre eigenen vier Wände verlassen dürfen, zieht es viele an die Strände. Aus dieser Situation heraus hat sich ein neuer Trend entwickelt: Der Trikini – also ein dreiteiliger Bikini bestehend aus Unterteil, Oberteil und dazu passendem Mund-Nasen-Schutz Maske. Denn das Tragen einer Maske ist an den Stränden Pflicht. Also noch keine „Normalität“ in Sicht – aber immerhin wieder ein kleiner Schritt in Richtung Rückkehr ins Leben.
Die Früchte der Arbeit: Der neue Chianti Classico Jahrgang
Nach meinem Gespräch mit Emilia über die Zeit des Lockdowns und darüber, wie es der Familie ergangen ist, habe ich mit Giovanni noch ein wenig über den neuen Chianti Classico Jahrgang von Casaloste geplaudert. Denn eigentlich ist der Chianti Classico 2017 auf Casaloste ja in unter „erschwerten“ Bedingungen entstanden: Frost im Mai, der einen großen Schaden verursacht hat. Ein trockener und heißer Sommer. Regen in der Erntezeit. Also eigentlich alles Dinge, die der Qualität des Weins nicht zuträglich sind. Und so befürchtete man, dass man es nach so hervorragenden Jahrgängen 2015 und 2016 mit einem „Durchhänger-Jahrgang“ zu tun haben würde. Aber allen Befürchtungen zum Trotz präsentiert sich der 2017er Chianti Classico wunderschön – um nicht zu sagen fantastisch! Giovanni selbst meint: „Das ist ein eleganter, harmonischer und sehr, sehr zugänglicher Wein geworden.“ Und auch mir hat sich dieser Zugang sofort eröffnet und ich war begeistert.
Und wie gesagt: Der Chianti Classico von Casaloste – und auch einige andere Casaloste-Weine, die ich bereits im Sortiment habe – sind (nach-)bestellt und auf dem Weg zu mir. Ich freue ich mich schon darauf, bald wieder eine Flasche öffnen und genießen zu dürfen. Giovanni und Emilia sind zuversichtlich, dass sich der allgemeinen Kristen-Situation zum Trotz wenigstens alles für einen gelungenen 2020er-Jahrgang entwickelt. Und wer weiß: Vielleicht wird ja der Wein, der in diesem Krisenjahr entsteht, ein kleines Pflaster für die Wunden, die die 70 Tage Lockdown hinterlassen haben. Klar: Ein Tropfen Rotwein auf dem heißen Stein – dafür aber ein ausgezeichneter!
Touristisch gesehen bleibt noch abzuwarten, wie sich Sommer und Herbst entwickeln werden. Vielleicht wird es sogar eine kleine, andere Form von Vino al Vino geben – man wird sehen. Und ich halte euch auf jeden Fall auf dem Laufenden, wenn sich etwas Neues ergibt.