Während in Österreich und Deutschland gerade Schritt für Schritt die strengen Corona-Beschränkungen gelockert werden und Restaurants, Museen, Ausflugsziele und sogar Grenzen wieder geöffnet werden, wird die Lockerung der Maßnahmen in Italien noch etwas restriktiver gehandhabt. Und so werden wir auf Reisen nach Italien noch einige Zeit verzichten müssen. Bis es wieder soweit ist, muss ich meine und eure #SehnsuchtChiantiClassico wohl noch ein klein wenig mit meinen Blogbeiträgen stillen. Und so habe ich mich dieses Mal mit Cosimo Gericke vom wundervollen Weingut Fattoria di Rignana bei einem Video-Call unterhalten dabei die neuen Jahrgänge gemeinsam mit Cosimo verkostet.
Fattoria e Villa di Rignana – ein Weingut mit Geschichte(n)
Die Fattoria e Villa di Rignana liegt inmitten des Weinbaugebietes Chianti Classico – nur wenige Autominuten von der Ortschaft Panzano entfernt. 120 Hektar Weinberge, Gärten und Olivenhaine umgeben das malerische Anwesen, zu dem neben einem herrlichen Agriturismo sogar eine eigene Kapelle gehört. Dabei hat das Weingut eine bewegte Geschichte hinter sich: Bereits im 11. Jahrhundert wurde es erstmals in Urkunden erwähnt, aus dem Jahr 1700 stammen die ersten Nachweise für den Anbau von Weinreben. Ab dem 17. Jahrhundert befand sich das Anwesen im Besitz der florentiner Adelsfamilie Dè Ricci. Schon damals war im Wappen der Adelsfamilie ein Igel abgebildet – denn „Riccio“ heißt so viel wie Igel. Und auch unter dem jetzigen Inhaber von Rignana, Cosimo Gericke, findet man den das stachelige Tier auf den Etiketten von Wein und Olivenöl.
Die virtuelle Weinverkostung mit Cosimo Gericke
Die beste Nachricht gleich einmal vorweg: Die aktuellen Jahrgänge der Weine von Rignana sind bei mir im Lager eingetroffen und ab sofort zu bestellen! Normalerweise besuche ich ja im Frühling „meine“ Weingüter, um die neuen Jahrgänge zu verkosten – darunter natürlich auch Rignana. Dann treffe ich mich mit Cosimo zu einem Mittagessen in der Cantinetta, dem Restaurant auf Rignana. Zu diesem Essen bringt Cosimo die neuen Jahrgänge mit und von der Vor- bis zur Nachspeise verkosten und besprechen wir die neuen Weine. Aus den uns allen bekannten Gründen konnte unser im Lauf der Jahre liebgewonnener Austausch dieses Jahr leider nicht stattfinden. Also haben wir uns zu einer „virtuellen Verkostung“ per Video-Telefonat verabredet. Denn für mich ist es einerseits wichtig, so viel Hintergrundwissen wie nur irgendwie möglich über die Weine zu erhalten. Aber darüber hinaus hat sich im Lauf der Zeit zwischen Cosimo und mir eine echte Freundschaft und damit ein reger Austausch über seine Weine entwickelt.
Die großartigen neuen Jahrgänge
Nummero uno bei unserer virtuellen Verkostung war der Bianco di Toscana 2019 – also der Weißwein, der zu 100 Prozent aus Sangiovese-Trauben gekeltert wird und den Cosimo letztes Jahr erstmals mit großem Erfolg hergestellt hat. Für diesen Wein werden die Sangiovese-Trauben jüngerer Anlagen in einem frühen Reife-Stadium geerntet und dann direkt gepresst – auf diese Weise geben die Trauben keine Farbe ab und der Wein bleibt weiß. Hat Cosimo letztes Jahr nur 1.000 Flaschen produziert, so sind es dieses Jahr – sicherlich zur großen Freude vieler Weißweintrinker – 2.600 Flaschen. Außerdem präsentiert sich der Bianco 2019 auch äußerlich in einem neuen Gewand: Er wird ab sofort in einer Burgunderflasche, sow wie der Rosato, abgefüllt. Und was soll ich sagen: Der Bianco Jahrgang 2019 präsentiert sich uuuuunheimlich duftig! Er umschmeichelt die Nase mit einem Hauch von Äpfeln und Birnen, aber auch zart himbeerig und zitronig. Gut gekühlt ein echter Traum und damit ein unschlagbarer Genuss in seiner Gewichtsklasse. Ich würde sogar wagen zu sagen: Sensationell! Egal, ob als Aperitivo nach einem harten Arbeitstag, oder durch seine wunderschöne, elegante Sangiovese-Säure als idealer Speisenbegleiter! Das einzige Problem bei diesem Wein: Die Flasche ist immer so schnell leer… Aber dafür gibt es ja jetzt Nachschub!
Nächster Wein auf unserer Verkostungs-Liste war der Rosato 2019. Für einen Rosato werden die Trauben geerntet, und bleiben für ein paar Stunden auf der Schale. Erst dann werden die Trauben gepresst. Dadurch bekommt der Wein seine zarte Rosé-Tönung. Und wie immer beim Rosato gilt auch 2019: Gaaaanz viel Erdbeeren, Himbeeren und knackige Kirschen auf dem Gaumen, aber auch eine wunderbar elegante Säure – insgesamt ein Wein, der sich wunderbar vor dem Essen, aber auch hervorragend dazu eignet. Mein Favorit: Ziegenfrischkäse, kombiniert mit frischen Brot und einem bisschen Himbeermarmelade und dazu ein Glas Rosato – das ist Glück. Auch Cosimo ist stolz auf seine beiden Weine: „Als der Rosato und der Bianco letztes Jahr noch in der Phase der Ernte hergestellt wurden, waren wir alle noch weit entfernt von einem Gedanken an Corona. Umso mehr freut es mich jetzt, dass die beiden so gut gelungen sind. Und ich hoffe, dass sich unsere Gäste und Kunden damit ein bisschen Rignana-Feeling nach Hause holen können – zumindest so lange, bis man wieder zu uns nach Italien reisen darf.“ Der Pool wird schon einmal voller Vorfreude vorbereitet, meint Cosimo. In der Zwischenzeit heißt es: Abwarten, Daumen drücken und Wein trinken!
Ideal, um die Wartezeit bis zur nächsten Reise zu überbrücken, ist sicher der Chianti Classico 2017: Diesen durfte ich zwar schon auf der Chianti Classico Collection im Februar verkosten – doch die drei zusätzlichen Monate in der Flasche haben diesem Wein noch einen Extra-Boost gegeben. Harmonie und Kraft sind die beiden Schlagworte, die mir beim Verkosten mit Cosimo sofort auf der Zunge gelegen sind. Dazu gesellen sich die typischen Chianti Classico-Aromen wie Kirschen, Weichseln, Pflaumen und dunkle Beeren – eine schöne Würze, ein schöner Abgang, einfach ein schöner, typischer Wein, so wie man ihn von der Fattoria di Rignana kennt und liebt.
Zwei Rignana-Oldies – aber echte Goldies
Einen Wein hatten Cosimo und ich noch auf unsere Verkostungsliste gesetzt, obwohl ich ihn schon seit längerem im Sortiment und natürlich bereits getrunken habe: die Chianti Classico Gran Selezione 2015. Was soll ich sagen: Und es hat Zoom gemacht… (und zwar nicht nur wegen der gleichnamigen Video-Konferenz-Software, die Cosimo und ich für unser Treffen genutzt haben.) Dieser Wein ist eine Bombe! Aus dem etwas ungehobelten Jungspund ist nach einem Jahr Flaschenreife ein stattlicher Großer geworden. Ich war tief beeindruckt, wie sich dieser Wein jetzt zeigt: die Aromen von dunklen, vollreifen Früchten in der Nase – Kirschen, Brombeeren, Heidelbeeren, schwarze Johannisbeeren, aber auch eine zarte Würze von schönem, schwarzem Pfeffer gepaart mit einer angenehmen Mineralität. Da bekommt man schon beim ersten Schnuppern Lust auf den ersten Schluck. Und der hält absolut, was der Duft verspricht – und zaubert dank perfekt integrierter Tannine und einer harmonischen Säure ein unheimlich ausgewogenes Gefühl auf den Gaumen. Man genießt quasi die Sonne des Sommers 2015 und die perfekten Trauben dieses Jahrgangs mit jedem einzelnen Schluck.
Daraufhin meinte Cosimo: „Wenn du diesen 2015er schon so gut findest, dann lass uns doch den Il Riccio 2015 kosten.“ Gesagt, getan. Den Il Riccio 2015, der ja ein IGT aus 80 % Merlot und 20% Cabernet Franc und kein Chianti Classico ist, gibt es zwar schon etwas länger bei mir im Shop und ich hatte ihn auch schon gekostet… Aber ich war wirklich sehr verblüfft darüber, wie sich dieser Wein jetzt präsentiert. Noch einmal zur Erinnerung: Gleicher Winzer, gleicher Jahrgang, zwar andere Trauben – aber dadurch ein völlig anderer Wein. Klar, man schmeckt das Terroir von Rignana, aber tiefdunkelrot im Glas, nach allen möglichen dunklen Beeren und offenem Feuer duftend, ein voller Körper mit Tiefe und Mineralität ist der 2015er zwar kein „neuer“ Jahrgang, aber ein echter Geheimtipp! Am besten zu einem schönen Stück Wild – ein Knaller.
Weil das Leben zum Feiern ist!
Cosimos Fazit aus unserem gemeinsamen, virtuellen Tasting: „Es ist so schade, dass wir jetzt keine Gäste und Besucher auf Rignana empfangen können. Denn gerade jetzt sind die Weine so großartig und auf einem so guten Punkt, um sie zu trinken. Aber ich kann sie leider mit niemandem verkosten, sie niemandem zeigen. Das ist es, was mir im Moment am meisten fehlt.“ Aber vielleicht können ja mein Blogbeitrag und eine kleine Aktion, die Cosimo und ich uns überlegt haben, eine Überbrückung für all diejenigen sein, die bald wieder nach Panzano in die Toskana reisen wollen und die Weine von Rignana genießen möchten. Ganz einfach deshalb, weil das Leben zum Feiern ist! Trotz allem, was gerade rund um uns herum passiert… oder vielleicht gerade deswegen.