Was ist Chianti Classico?
Für mich ist Chianti Classico mehr als nur ein Glas Rotwein aus der Toskana. Chianti Classico steht für mich für gelebte Tradition, bedeutende Geschichte, vielfältige Kultur und einem bewusstem Lebensstil. Und last but not least einer fantastischen Küche, der sogenannten „Cucina povera’“, der „Arme-Leute-Küche“.
Unter Chianti Classico meint man aber natürlich meist den Rotwein aus dem Herzen der Toskana, einer der bedeutendsten Weinregionen Italiens. Viele kennen Chianti Classico aufgrund der früher typischen Strohflasche, die auf italienisch „Fiasco“ heißt. Oft konnte man diese Flaschen in den 80er und 90er Jahren in Pizzerien in Deutschland und Österreich als Kerzenständer entdecken. Auch deshalb wurde dieser Rotwein aus vorwiegend Sangiovese-Trauben berühmt.
Aber als Chianti Classico bezeichnet man nicht nur den Wein, sondern auch den Namen für diese Weingegend, auch Appellation genannt. Das Weinbaugebiet Chianti Classico kann auf eine lange und reiche Geschichte zurück blicken. Denn Chianti Classico ist schlichtweg die älteste Weinappellation der Welt. Bereits 1716 hat Cosimo III, ein Medici, in einem Dekret die Grenzen jener Region abgesteckt, die heute für die Appellation Chianti Classico gelten.
Chianti und Chianti Classico
Gerne werden die beiden Begriffe Chianti und Chianti Classico vertauscht, verwechselt und noch öfter (leider) falsch angewendet. Dies führt zwangsläufig zu großer Verwirrung.
Daher eine kurze Erklärung. Achtung! Jetzt wird’s kompliziert:
Chianti ist das Gebiet, der Boden, die Region zwischen Florenz im Norden und Siena im Süden, somit eine genaue geographische Definition
Chianti Classico ist jener Wein, der unter bestimmten Produktionsbestimmungen in diesem definierten Gebiet wächst und gekeltert wurde. Chianti Classico kommt nur von hier
Chianti ist aber auch ein weiterer Rotwein aus der Toskana, der seine Herkunft außerhalb dieses geographischen Gebietes hat. Für Chianti DOCG gelten neben der völlig anderen Herkunft auch komplett andere Produktionsbestimmungen, als für Chianti Classico. Es gibt mehrere Weinbaugebiete innerhalb der Toskana, wo Chianti DOCG produziert wird.
Noch nicht verstanden? Auch noch nicht nach mehrfachem Lesen? Keine Sorge, das geht vielen so. Aber es gibt eine einfache Lösung. Denn den Wein Chianti Classico kann man recht einfach erkennen. Auf jeder Flasche Chianti Classico muss der Schwarze Hahn, auf Italienisch der „Gallo Nero“ zu finden sein. Entweder auf der Vorderseite der Flasche am Flaschenhals oder auf dem Rückenetikett der Flasche. Denn nur dort, wo der Schwarze Hahn drauf ist, darf Chianti Classico drin sein. Eigentlich ganz einfach!
Die Legende vom Schwarzen Hahn
Der Schwarze Hahn ist das historische Symbol für Chianti Classico. Bereits 1924 hat das Consorzio Chianti Classico, der Dachverband aller Winzer der Region, den Gallo Nero auf den Weinflaschen dieser Weinregion anbringen lassen. Heute würde man die Gründerväter des Consorzio Chianti Classico vielleicht als „Marketing- oder Brand-Manager´“ bezeichnen.
Aber wie kam’s zu diesem tierischen Symbol? Dies erzählt eine Legende, und die geht so: Ein langjähriger Konflikt um den Verlauf der Grenze zwischen den beiden Städten Florenz und Siena sollte durch zwei Reiter beendet werden. Man vereinbarte, dass beide Reiter, einer aus Florenz, der andere aus Siena, nach dem Hahnenkrähen im Morgengrauen los reiten sollten. Dort, wo sie sich auf der Wegstrecke treffen würden, sollte in Zukunft die Grenze der beiden Städte verlaufen. Der schwarze Hahn der Florentiner war ausgehungert und beginn daher früher zu krähen, und der Reiter konnte bereits viel früher seine Reise antreten. Denn der weiße, gut genährte Hahn der Seneser begann erst viel später zu krähen. Dies führte dazu, dass Florenz in diesem Konflikt als Sieger hervorging, denn der Legende nach trafen sich die beiden Reiter südlich von Castellina in Chianti, in der Nähe des heutigen Dorfs Fonterutoli.
Woraus wird Chianti Classico hergestellt?
Sangiovese ist die wichtigste Rotweinrebsorte in Italien, und auch die wichtigste in der Toskana. Denn gleich mehrere Appellationen in der Toskana haben die Rotweintraube Sangiovese als Grundlage: Brunello di Montalcino, Vino Nobile di Montepulciano, Morellino di Scansano, Chianti Colli Fiorentini, Chianti Colli Senesi, Chianti Rufina, Chianti Colli Aretini, Chianti Colli Pisane, Chianta Montalbano sowie Chianti Montespertoli und noch weitere Regionen. UND selbstverständlich Chianti Classico.
Chianti Classico kann kann aus 100 Prozent Sangiovese hergestellt werden, es dürfen aber bis zu 20 Prozent andere (zugelassene) Rebsorten hinzugefügt werden: autochthone, also heimische, Rebsorten wie zum Beispiel Canaiolo, Colorino, Pugnitello, Malvasia Nera u.a. und/oder internationale Rebsorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Petit Verdot, Syrah u.a. beigemischt werden. Je nach Cuvée, also dem Mischverhältnis der Trauben, entstehen andere Weinstile und Charaktere für Chianti Classico. Die verwendeten Rebsorten haben also großen Einfluss auf den Charakter des Weins.
Verboten ist heute das Hinzufügen von Weissweinsorten. Aber das war nicht immer so. Früher war es sogar verpflichtend Trauben wie Malvasia Bianca oder Trebbiano dem Rotwein beizumischen. Bettino Ricasoli, ein Mitglied der berühmten Adelsfamilie Ricasoli und früherer Ministerpräsident von Italien, gilt heute als „Erfinder der Chianti-Formel“. Denn bereits 1872 legte er fest, wie „Chianti“ (damals noch ohne Classico) zu produzieren sei: Sangiovese, Canaiolo, Malvasia und Trebbiano waren die Trauben die verwendet werden mussten. Im Laufe der Jahre hat sich das „Rezept“ zum Teil stark verändert.
Was solltest du sonst noch über Chianti Classico wissen?
Chianti Classico ist in der höchsten Stufe nach dem italienischen Weingesetz eingegliedert, nämlich in der Gruppe der DOCG-Weine. DOCG ist die Abkürzung für „Denominazione di Origine Controllata e Garantita“, das auf Deutsch so viel wie „kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung“ bedeutet. Damit soll gewährleistet werden, dass Chianti Classico wirklich nur aus dem definierten Gebiet der Appellation kommen kann und nach bestimmten Produktionsbestimmungen erzeugt wurde.
Übrigens: die weiteren Gruppen laut Italienischem Weingesetz heißen DOC (Denominazione di Origine Controllata), IGT (Indicazione Geografica Tipica) und Vini Generici (früher bekannt als Vino da Tavola), wobei die Gruppe der DOCG-Weine die höchste Qualitätsstufe darstellt.
Die Qualitätspyramide im Chianti Classico
Innerhalb der Appellation Chianti Classico unterscheidet man drei Qualitätsstufen:
Chianti Classico (Annata) DOCG
Chianti Classico Riserva DOCG
Chianti Classico Gran Selezione DOCG
Grob gesprochen unterscheiden sich diese drei Kategorien durch unterschiedliche Produktionsbestimmungen.
Chianti Classico DOCG
Das Wort „Annata“ ist keine offizielle Bezeichnung, die unterste Stufe der Qualitätspyramide heißt offiziell einfach „Chianti Classico“. Im italienischen Sprachgebrauch - und viele der Winzer - nennen gerne den Wein der Basis-Kategorie „Annata“, was eigentlich so viel wie „Jahrgang“ bedeutet. In diesem Zusammenhang ist aber der „Basis-Chianti Classico“ gemeint.
Chianti Classico muss zumindest aus 80 Prozent Sangiovese hergestellt werden, es dürfen aber auch 100 Prozent sein. Der Mindestalkoholgehalt muss bei 12,0 % liegen und der Basis-Chianti Classico muss mindestens ein Jahr im Keller reifen, bevor er auf den Markt zum Verkauf gelangen darf.
Chianti Classico Riserva DOCG
Der Chianti Classico Riserva unterscheidet sich nicht großartig, hinsichtlich der Produktionsbestimmungen, vom Chianti Classico. Es gelten die gleichen Bestimmungen hinsichtlich der Zusammensetzung und dem Verhältnis der verwendeten und gekelterten Trauben wie für Chianti Classico. Ein Mindestalkoholgehalt von 12,5 % ist gefordert, aber eine deutliche längere Reifezeit im Keller, nämlich mindest 24 Monate. Davon muss der Wein mindestens drei Monate in der Flasche gereift haben, bevor er verkauft werden darf.
Chianti Classico Gran Selezione DOCG
Erst seit 2013 besteht diese Kategorie im Chianti Classico. Die Gruppe dieser Weine stellt die Spitze der Qualitätspyramide im Weinbaugebiet dar. Oft sind es die besten Trauben eines Weinguts oder die Trauben einer besonders guten Einzellage, die für diesen Wein verwendet werden. Allerdings gab es eine Änderung der Produktionsbestimmungen mit dem Jahrgang 2020. Früher, also vor 2020, waren 80 bis 100 Prozent Sangiovese erlaubt, und wenn weniger als 100 Prozent verwendet wurden, durften sowohl die gelisteten autochthonen oder internationalen Rebsorten hinzugefügt werden.
Mit dem Jahrgang 2020, und der damit einhergehenden Einführung der UGA (Unità Geografiche
Aggiuntive), einer weiteren Herkunftsklassifizierung, wurde der Mindestanteil von Sangiovese auf 90 % erhöht, und der Blend mit internationalen Rebsorten verboten. Nur Rebsorten die in der Toskana heimisch sind, also Canaiolo, Colorino, Pugnitello, Malvasia Nera, Mammolo und Sanforte sind als Cuvée erlaubt. Außerdem müssen die Trauben ausnahmslos aus Lagen des Weingut stammen, dürfen also nicht zugekauft werden, der Mindestalkoholgehalt beträgt 13,0 % und die Mindestreifezeit 30 Monate, wovon mindestens 3 Monate Flaschenreife gefordert werden.
Und wie schmeckt nun Chianti Classico?
Natürlich ist das sehr schwer zu verallgemeinern. Die Geschmacksnuancen hängen von vielen verschiedenen Faktoren ab: Boden, Klima, Ausrichtung und Hanglage, Wetterbedingungen während der Vegetationsphase, Philosophie, Herangehensweise und Kellerausstattung des Weinguts, biologische oder konventionelle Bewirtschaftung und noch einiges mehr.
Man kann aber sagen: meist zeigen sich bei Chianti Classico beim Riechen Frucht- und Gewürzaromen, die an Kirschen, dunkle Früchte und Beeren, Wacholder und Pfeffer aber auch Veilchen erinnern. Beim Trinken präsentiert sich Chianti Classico gerne mit kräftigen Tanninen und einer charaktervollen Säure. Alles zusammen ergeben sich allgemein gesprochen fruchtige, gut trinkbare Weine, die sich hervorragend als Begleiter zu einem guten Essen, insbesondere zu Käse und Fleischgerichten, eignen. Aber die Vielfalt und die Möglichkeiten sind groß.
Übrigens: Chianti Classico ist immer ein „Rotwein trocken“ im Sinne der europäischen Weingesetzgebung.
Wann sollte ich Chianti Classico am besten trinken?
Wenn ich das gefragt werde, antworte ich gerne mit einer Geschichte eines meiner Lehrer während meiner Weinausbildung: „Am besten man kauft sich 12 bis 18 Flaschen von einem Wein und öffnet jedes Jahr eine Flasche. Wenn man feststellt, dass der Wein im Vorjahr besser geschmeckt hat als zum aktuellen Zeitpunkt, dann weiß man, dass man am besten den gesamten Wein im vergangenen Jahr hätte trinken sollen“. Das ist natürlich ein wenig ein Scherz, aber eine gewisse Wahrheit steckt schon dahinter.
Allgemein kann man aber sagen: Dank der enormen Bemühungen und Anstrengungen der Winzer hinsichtlich Rebpflanzungen, Bewirtschaftung und Kellertechnik hat Chianti Classico in den letzten Jahrzehnten einen enormen allgemeinen Qualitätssprung erfahren dürfen.
Früher galt, die Annata, also den Basis-Chianti Classico sollte man innerhalb kürzester Zeit trinken, maximal sieben Jahre nach der Ernte. Das hat sich heute komplett verändert. Natürlich spielen Faktoren wie Jahrgang, also die Bedingungen während der Vegetationsphase, Ausbau und auch das „gute Händchen des Kellermeisters“ eine nicht unwichtige Rolle für die Qualität in der Flasche. Außerdem finde ich, je mehr Anteil an Sangiovese desto länger kann der Wein lagern.
Gerne beschreibe ich, dass sich Chianti Classico auch noch sehr gut nach 10 Jahren trinken lässt, Chianti Classico Riserva und Chianti Classico Gran Selezione können aber auch gerne 20 bis 30 Jahre - unter guten Bedingungen - lagern.
Warum solltest du Chianti Classico probieren?
Ganz einfach: weil ich dir diesen Wein an’s Herz lege! Chianti Classico bietet eine unheimliche Vielfalt und die Möglichkeiten des Entdeckens sind schier endlos.
Ich rate persönlich immer mit einem Chianti Classico DOCG zu starten. Diese Kategorie kann man in einem durchaus guten Preis-Leistungs-Verhältnis finden, und häufig findet sich „sehr viel Wein“ für sein Geld im Glas.
Oft werde ich nach „guten Jahrgängen“ gefragt. Auch hier gilt: probier dich durch. Wirklich „schlechte“ Jahrgänge gab es im letzten Jahrzehnt im Chianti Classico nicht. Und jeder von uns hat sein persönliches favorisiertes Geschmacksbild. Der Weg ist doch das Ziel, oder?
Ich werde gerne mit den Worten zitiert: „Chianti Classico ist ein Speisenbegleiter und kein Kamin-Wein“. Das bedeutet, dass ich persönlich ein gutes Glas Chianti Classico zum Essen bevorzuge. Und das gilt für alle drei Qualitässtufen, einfach dem Essen angepasst. Für den Kamin gibt es ja Gott sei Dank die sogenannten „SuperTuscans“.
Außerdem empfehle ich Chianti Classico nicht bei Zimmertemperatur zu trinken, wie oft bei Rotwein behauptet wird. Chianti Classico entwickelt sich perfekt zwischen 16° C und 18° C. Wenn du keinen Weinklimaschrank haben solltest, wie die meisten von uns, dann stell die Flasche eine Stunde in den Kühlschrank. Dann hat dein Sangiovese-Wein die perfekte Trinktemperatur.
Ähnliches gilt für die Weingläser: gerne werden „sehr große“ Weingläser für Rotweine verwendet. Chianti Classico, oder überhaupt Sangiovese-Weine, ticken da ein wenig anders. Beginne mit einem Weißweinglas, und probiere immer wieder ein Glas eine Stufe größer. Irgendwann wirst du deinen persönlichen Geschmack am besten treffen.
Viva il Chianti Classico!